Das Letzte, was er wollte (The Last Thing He Wanted)

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Das Letzte, was er wollte (The Last Thing He Wanted)

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Overview

"Zugleich luzide und surreal… hinreißend." The New Yorker
Eigentlich ist Elena McMahon von Kindesbeinen an gewohnt, lieber nicht so genau wissen zu wollen, was ihr Vater beruflich macht. Doch als dieser nicht mehr in der Lage ist, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern, lässt sie alles stehen und liegen, um ihm beizuspringen. Und das mitten im US-Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 1984, den sie eigentlich als Reporterin bei der Washington Post begleiten sollte. Stattdessen gerät sie immer tiefer hinein in einen zweifelhaften Waffendeal mit einem zentralamerikanischen Land, den ihr Vater eingefädelt hat, jetzt aber nicht mehr überwachen kann. Dabei wird sie nicht nur mit den Konsequenzen der Fehler ihres Vaters konfrontiert, sondern auch den Verstrickungen der US-Regierung in den Fall. 1994, zehn Jahre später, beginnt eine namenlose Journalistin diese Geschichte zu erzählen.
In diesem Roman, erstmals veröffentlicht im Jahre 1996, erzählt Joan Didion eine fiktive Situation, doch die Geschichte gründet auf ihren Erfahrungen als politische Journalistin. Ihre herausragende Beobachtungsgabe sowie ihre kristallklare Sprache machen diesen Roman zu einem literarischen Zeitdokument ersten Ranges.
"Herausragend… eine Meditation über Macht und Gedächtnis, Wahrheit und Pflicht und über die herzzerreißende Sehnsucht nach einer magischen Formel, die unsere verwirrende Welt verständlich macht." Seattle Post Intelligencer
"Selbst Nicht-Fans wird es schwerfallen, das Buch beiseitezulegen, bis sie zur letzten Seite durchgerast sind." Newsweek
"Fesselnd… Didion in Bestform." USA Today
"Ein moralischer Thriller vom Niveau eines Graham Greenes." Los Angeles Times


Product Details

ISBN-13: 9783843721677
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 11/29/2019
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 256
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

About The Author
Joan Didion, geboren 1934 in Sacramento, Kalifornien, arbeitete als Journalistin für verschiedene  amerikanische Zeitungen und war u. a. Redakteurin der Vogue. Sie hat fünf Romane und zahlreiche  Sachbücher veröffentlicht, darunter Das Jahr magischen Denkens. Joan Didion lebt in New York City.

Joan Didion, geboren 1934 in Sacramento, Kalifornien, arbeitete als Journalistin für verschiedene amerikanische Zeitungen und war Mitherausgeberin der  Vogue. Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen der amerikanischen Literatur, die mit ihren fünf Romanen und zahlreichen Essaybänden das intellektuelle Leben der USA im 20. Jahrhundert entscheidend prägte. Joan Didion starb im Dezember 2021 in New York.

Hometown:

New York, New York

Date of Birth:

December 5, 1934

Date of Death:

December 23, 2021

Place of Birth:

Sacramento, California

Education:

B.A., University of California at Berkeley, 1956

Read an Excerpt

CHAPTER 1

In letzter Zeit ist mehr und mehr Wirkliches passiert. Eine Zeit lang fühlten wir uns reich und dann nicht mehr. Eine Zeit lang dachten wir, Zeit sei Geld, und das hieße, Zeitgewinn gleich Geldgewinn. Das hieße, flieg Concorde, und du machst Geld gut. Weil du schnell weiterkommst. Nimm die große Suite, die Multiline-Telefone mit dem Zimmerservice auf der Eins und dem Hausdiener auf der Zwei, First-Class-Service, um neun Uhr raus, um eins zurück. Lad alle Daten runter. Ruf Prag auf, geh auf Konferenzschaltung. Verkauf Allied Signal, kauf Cypress Minerals, nutz die Spielräume ganz oben. Schalt dich ein in diesen Nachrichtenzyklus, lass die Drähte glühen, bedröhn dich an dem Lärm. Wo bleibt der Ton, sagte immer irgendwer in dem Zustand der Dröhnung, in dem wir alle waren. Agence Presse bringt diese Story. Irgendwo in diesem Zustand der Dröhnung warfen wir Ballast ab. Irgendwo in diesem Zustand der Dröhnung verloren wir Strukturen, überschüssige Systeme, Eigengewicht. Schwerelosigkeit erschien uns damals als die sicherere Daseinsform. Schwerelosigkeit erschien uns damals als die Daseinsform, in der wir das Rennen machen konnten, ob es nun gegen die Uhr ging oder gegen die Stimmung an sich, aber jetzt begreife ich, dass dem nicht so war. Jetzt begreife ich, dass die Uhr tickte. Jetzt begreife ich, dass das, was wir erlebten, nicht Schwerelosigkeit war, sondern etwas, das auf Seite 1513 des Merck-Handbuchs (15. Ausgabe) interessanterweise als eine anhaltende exogene Depression beschrieben wird, als eine Verlustreaktion, als die schmerzvoll erfahrene Trennung von vertrauten Lebensbedingungen. Jetzt begreife ich, dass die Lebensbedingungen, von denen wir uns trennten, das Gefühl ausmachten, reich zu sein. Jetzt begreife ich, dass es keine Resolution Trust Corporation geben wird, kein staatliches Auffangbecken, um speziell dieses Defizit zu kompensieren, aber damals habe ich es nicht begriffen.

Obwohl ich es hätte begreifen müssen.

Es gab die ganze Zeit über Hinweise, Anzeichen, die wir hätten zur Kenntnis nehmen, auswerten, überprüfen müssen: hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Lage im Allgemeinen. Nehmen wir nur einmal den Tag, an dem uns auffiel, dass die Banken ihre Kredite für sämtliche Einkaufszentren gekündigt hatten, nehmen wir den Tag, an dem uns auffiel, dass jemand seine Kredite für sämtliche Banken gekündigt hatte. Nehmen wir den Tag, an dem uns auffiel, dass wir, wenn wir eine gebührenfreie 800er-Nummer wählten, um Geschäfte in Los Angeles oder New York zu tätigen, nicht mehr mit Los Angeles oder New York telefonierten, sondern mit Orlando oder Tucson oder Greensboro, North Carolina. Nehmen wir den Tag, an dem wir merkten (und dies wird speziell bei den Vielfliegern einen empfindlichen Nerv treffen), dass es auf einmal nötig war, wegen technischer Defekte in Denver, in Raleigh-Durham, in St. Louis zwischenzulanden. Nehmen wir, bei einer solchen Zwischenlandung wegen technischer Defekte in St. Louis, den dortigen, nicht einmal fertiggestellten, aber schon unter Konkurs stehenden Gateway Airport Tower mit seinen verrammelten Boutiquen, seiner geschlossenen Austernbar, den fehlenden Frotteebademänteln in den leeren Umkleidekabinen, den fehlenden Kulturbeuteln in den Toiletten mit den unvollendeten Mosaikfußböden: All das hätte uns alarmieren müssen, hätte ausgewertet werden müssen, aber wir mussten schnell weiter. Wir reisten mit leichtem Gepäck. Wir waren jünger. Auch sie war jünger.

CHAPTER 2

Um eines gleich klarzustellen: Hier rede ich.

Sie kennen mich oder glauben jedenfalls, mich zu kennen. Die nicht ganz allwissende Autorin.

Die nicht mehr so schnell weiterkommt.

Die nicht mehr mit leichtem Gepäck reist.

Als ich mich 1994 entschloss, diese Geschichte nun endlich zu erzählen, die Hinweise zur Kenntnis zu nehmen, die mir zehn Jahre früher entgangen waren, die Informationen auszuwerten, bevor sie sich ganz und gar verflüchtigten, spielte ich mit dem Gedanken, mir eine neue Identität zuzulegen: als Botschaftsrätin für öffentliche Angelegenheiten bei der fraglichen Botschaft, als Berufsdiplomatin im Auswärtigen Dienst, delegiert vom Amt für wirtschaftliche Zusammenarbeit. »Lilianne Owen« wollte ich mich in diesem Konstrukt nennen – eine Strategie, die ich letztendlich verwarf, weil sie zu einschränkend, zu kleinformatig war und damit ein sinnloser Kunstgriff. Später sollte sie mir erzählen, hätte Lilianne Owen immer wieder sagen müssen, und Davon erfuhr ich erst im Nachhinein. Als Lilianne Owen gab ich nicht einmal für mich selbst eine überzeugende Figur ab. Als Lilianne Owen hätte ich Ihnen längst nicht alles erzählen können, was ich wusste.

Das wollte ich von vornherein klarstellen.

Ich wollte mein eigenes Gepäck mitbringen und es vor Ihnen auspacken.

Als ich die Geschichte zum ersten Mal hörte, fand ich Elemente darin, die mir fragwürdig erschienen, Details, denen ich nicht traute. Was aus Elena McMahons Leben bekannt war, passte nicht recht zusammen. Was fehlte, war Konsistenz, waren logische Verbindungen nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung. Und diese Verbindungen sollten sich für Sie auftun, so wie sie sich irgendwann für mich auftaten. Die beste Geschichte, die ich je erzählt habe, war ein Kiffertraum. Dies ist etwas ganz anderes.

Als Treat Morrison Elena McMahon zum ersten Mal sah, saß sie allein in der Café-Bar des Intercon. Er war aus Washington gekommen, mit der American-Maschine, die um zehn Uhr vormittags landete, und der Fahrer der Botschaft hatte ihn am Intercon abgesetzt, wo er sein Gepäck deponieren wollte, und da saß nun diese Amerikanerin, keine Reporterin, dachte er gleich (er kannte die meisten Reporter, die aus diesem Teil der Welt berichteten, die Reporter trieben sich immer da herum, wo sie die Story vermuteten, das war das Schöne an dem Einsatz auf einer Insel, wo die Story noch nicht auf dem Bildschirm erschienen war), eine Amerikanerin in einem weißen Kleid, die die Kleinanzeigen des Lokalblatts las, die ganz allein an einem runden Tisch saß, der für acht gedeckt war. Irgendetwas an dieser Frau hatte ihn irritiert. Zum einen wusste er nicht, was sie da tat. Er wusste, dass sie Amerikanerin war, weil er sie mit dem Kellner hatte reden hören und ihm dabei die leichte Vokaldehnung aufgefallen war, die so typisch für den Akzent des amerikanischen Südwestens ist, doch die Amerikanerinnen, die überhaupt noch auf der Insel waren, gehörten entweder zur Botschaft oder zu dem minimalen Presseaufgebot, und es war nicht anzunehmen, dass jemand aus der einen oder der anderen Gruppe offensichtlich untätig in der Café-Bar des Intercon herumsaß. Und zum anderen aß diese Amerikanerin ganz langsam und methodisch abwechselnd einen Bissen Schokoladenparfait und einen Bissen Bacon. Diese Kombination aus Schokoladenparfait und Bacon war es, die ihn ganz eindeutig irritiert hatte.

Bis zu dem Zeitpunkt, als Treat Morrison sie die Kombination aus Schokoladenparfait und Bacon essen sah, hatte Elena McMahon nicht im Intercon gewohnt, sondern auf der Windseite der Insel, in zwei ineinandergehenden Zimmern mit Kochnische in einem Hotel namens Surfrider. Diese Zimmer hatte sie im Juli jenes Jahres bezogen, nicht als Gast, sondern als stellvertretende Geschäftsführerin, eingestellt, um Rückflüge, Babysitter und Tagestouren (Zuckermühle, Hafen und das einzige neopalladianische Herrenhaus auf der Insel) für die jungen kanadischen Familien zu buchen, die bis vor Kurzem gern in dieses Hotel gekommen waren, weil es preiswert war und der fünfzig Meter lange Swimmingpool nirgends mehr als einen Meter tief. Dem Manager des Surfrider war sie von dem Mann vorgestellt worden, der die Autovermietung im Intercon betrieb. Voraussetzung sei Erfahrung in der Tourismusbranche, hatte der Manager des Surfrider gesagt, und die hatte sie vorgetäuscht mit der erfundenen Story und den gefälschten Zeugnissen über eine dreijährige Tätigkeit als Kreuzfahrtleiterin auf dem schwedischen Traumschiff, das später von Robert Vesco umgeflaggt worden war (dies war der Geniestreich gewesen, dieses Detail, das die Zeugnisse jeder Überprüfung entzog). Zu dem Zeitpunkt, als sie die Stelle antrat, landeten auf dieser Insel immer noch ein paar versprengte Touristen, keine reichen Touristen, keine von denen, die Villen mit Swimmingpool und rosa Sandstrände und Butler und Wäscherinnen und Multiline-Telefone und Faxgeräte und ein Federal-Express-Büro in nächster Nähe verlangten, aber dennoch Touristen, zumeist triste amerikanische Pärchen mit Rucksäcken und pensionierte Tagesausflügler von den paar Kreuzschiffen, die immer noch einliefen: Leute also, die es sich nicht unbedingt leisten konnten, ihre Zeit als so wertvoll zu erachten, dass sie sie nur an den vollkommensten Plätzen dieser Erde verbringen mochten. Nach dem ersten Reisehinweis des Auswärtigen Amtes waren die Kreuzfahrtschiffe ausgeblieben, nach dem zweiten, dringlicheren Sicherheitshinweis eine Woche später (der mit dem Streik der Gepäcklader und der Einstellung aller Dienste von zweien der vier internationalen Fluggesellschaften mit Landerechten für diese Insel einherging) waren selbst die Rucksacktouristen zu Reisezielen abgewandert, die nicht gleich ganz so unvollkommen wirkten. Der fünfzig Meter lange Swimmingpool des Surfrider war leer. Worin auch immer der Bedarf an einer stellvertretenden Geschäftsführerin bestanden hatte – er war rückläufig und dann gar nicht mehr vorhanden. Auf diese Tatsache hatte Elena McMahon den Manager hingewiesen, doch der hatte ihr vernünftigerweise klargemacht, dass sie, da ihre Zimmer in jedem Fall leer stehen würden, genauso gut bleiben konnte, und so war sie geblieben. Sie mochte das Haus in leerem Zustand. Sie mochte die Jalousien mit den teils losen, teils abgebrochenen Stäben. Sie mochte die tief hängenden Wolken, das Glitzern der See, den durchdringenden Geruch nach Moder und Bananen. Sie mochte den Spaziergang vom Parkplatz hoch und die Straße entlang und die Stimmen aus der Pfingstkirche dort oben. Sie mochte den Strand vor dem Hotel, das Gefühl zu wissen, dass von hier aus zwischen ihr und Afrika kein Festland mehr war. »Tourismus – nur ein anderes Wort für Rekolonisierung?«, lautete das Wunschthema des Entwicklungshilfesymposiums (für Selbstverpfleger) an dem Tag, als Treat Morrison in der Botschaft eintraf.

CHAPTER 3

Wenn Sie sich an 1984 erinnern, wozu nach meinen Beobachtungen immer weniger von uns Lust haben, dann wissen Sie sicherlich noch einiges von dem, was Elena McMahon in diesem Sommer passierte. Sie kennen den Zusammenhang, erinnern sich an die Namen, Theodore Shackley Clair George Dewey Clarridge Richard Secord Alan Fiers Felix Rodriguez alias »Max Gomez« John Hull Southern Air Lake Resources Stanford Technology Donald Gregg Aguacate Elliott Abrams Robert Owen alias »T. C.« Ilopango alias »Cincinnati«, alle miteinander vom grellen Licht der DC-123 erfasst, die vom Himmel auf Nicaragua herabstürzte. Es hat nicht viele Frauen erwischt. Da war eine, die Blondine, die Reißwölfin, die für die Depotübertragung beim Credit Suisse verantwortlich war (das Depot beim Credit Suisse, auf das der Sultan von Brunei die zehn Millionen Dollar überweisen sollte, falls Sie die kleinen Finessen vergessen haben), doch sie war nur Statistin, Aushilfe, mit einer weitgehend komischen, aber letztlich unbedeutenden Rolle.

Bei Elena McMahon war das anders.

Elena McMahon hat es auch erwischt, aber sie geriet nicht in dieses grelle Licht.

Wenn Sie wissen wollten, wie es sie erwischt hat, würden Sie wahrscheinlich mit den Dokumenten anfangen.

Es gibt nämlich Dokumente – vielleicht sogar mehr, als Sie meinen.

Eidesstattliche Erklärungen, mündliche Zeugenaussagen, Fernmeldeverkehre, manches davon noch unter Verschluss, aber vieles der Öffentlichkeit zugänglich.

Um hier oder da den Faden aufzunehmen, müssten Sie nur eine der gängigen Bibliotheken aufsuchen: zuerst natürlich die vom Kongress. Dann die vom Foreign Policy Institute an der Johns-Hopkins-Universität, die vom Center for Strategic and International Studies in Georgetown. Speziell für die Brokaw-Korrespondenz die Sterling Library in Yale. Die Bancroft Library in Berkeley, an die Treat Morrisons schriftliche Unterlagen nach seinem Tod gingen.

Da gibt es die vom FBI durchgeführten Befragungen, die ich insgesamt als nicht besonders aufschlussreich bezeichnen würde, obwohl jede einzelne das eine oder andere Spannungselement enthält (die Kombination aus Schokoladenparfait und Bacon etwa ist ein Spannungselement in den Abschriften der FBI-Befragungen), das richtungweisende Detail (so gibt es mir zu denken, dass die Person, die dem FBI gegenüber die Kombination aus Schokoladenparfait und Bacon erwähnte, nicht Treat Morrison war), die Antwort, die so offensichtlich ausweichend ist, dass sie die Tatsache, die sie zu verschleiern sucht, gerade dadurch beleuchtet.

Es gibt die veröffentlichten Abschriften der Hearings vor dem Sonderausschuss, zehn Bände, zweitausendfünfhundertundsieben Seiten, dreiundsechzig Tage Zeugenaussagen, deren Reiz nicht nur in der durchgängigen Verwendung von Metaphern aus der Wasserwirtschaft liegt (da gab es die Kanäle, da gab es die Verteilungsnetze, da gab es die Strömungen, die Schleusen und natürlich die Quellen), sondern auch in den damit einhergehenden kurzen Einblicken in das Leben an den äußersten Grenzen der Monroe-Doktrin. Da gab es etwa die Fluggesellschaft, die von St. Lucia aus operierte, ihre Zentrale aber in Frankfurt hatte (Band VII, Kapitel 4, »Einschleusungsmaßnahmen zur Durchführung verdeckter Operationen«) und die zu neunundneunzig Prozent im Besitz beziehungsweise nicht im Besitz (widersprüchliche Zeugenaussagen) eines ehemaligen Air-West-Flugbegleiters war, der auf St. Lucia lebte beziehungsweise nicht dort lebte (widersprüchliche Zeugenaussagen). Da gab es etwa die Gruppe nicht identifizierter Männer (Band X, Kapitel 2, »Zusätzliches Material über die Ablenkungsmanöver zum Quellenschutz«), die an der Nordgrenze Costa Ricas eintrafen beziehungsweise nicht dort eintrafen (auch hier widersprüchliche Zeugenaussagen), um die Leichen der Crew der nicht gekennzeichneten DC-3 zu verbrennen, die zum Zeitpunkt des Absturzes anscheinend bei der Fluggesellschaft registriert war, die zu neunundneunzig Prozent im Besitz beziehungsweise nicht im Besitz des ehemaligen Air-West-Flugbegleiters war, der auf St. Lucia lebte beziehungsweise nicht dort lebte.

Dann gibt es natürlich die Berichterstattung in den Zeitungen, die allerdings insgesamt nicht sehr ergiebig ist: Obwohl eine umfassende Datenbankrecherche unter dem Stichwort McMahon, Elena für das fragliche Jahr mehr als achthundert Hinweise in fast ebenso vielen Zeitungen erbringt, führen alle außer einer Handvoll zu denselben zwei AP-Berichten zurück.

Geschichte in Rohfassung.

Wie wir früher gesagt haben.

Als wir noch glaubten, dass man aus der Geschichte durchaus etwas lernen könnte.

Nicht, dass dies ein Thema war, über das viele Menschen bereit gewesen wären, sich zu äußern – ob nun offiziell oder auch nur inoffiziell. Selbst ich, die ich relativ zufällig zur fraglichen Zeit in der fraglichen Botschaft war, habe etwa ein Dutzend Interviewfragen vonseiten der Presse verweigert. Zu dem Zeitpunkt wollte ich glauben, dass ich solche Interviews verweigerte, weil sie mit meinem damaligen, eher heiklen Projekt zu kollidieren schienen: einem Porträt von Treat Morrison für das New York Times Magazine, dem – falls meine Probebohrung die erhofften Ergebnisse bringen sollte – eine große Dokumentation über seine Statthalterrolle während sechs präsidentialer Amtszeiten folgen sollte, aber das war wohl nicht die ganze Wahrheit.

Ich habe diese Interviews verweigert, weil ich nicht in Diskussionen darüber verwickelt werden wollte, welche Elemente fragwürdig schienen, welche Details unglaubwürdig schienen, welche logischen Verbindungen zu fehlen schienen zwischen der Elena Janklow, die ich in Kalifornien kennengelernt hatte (Catherine Janklows Mutter, Wynn Janklows Frau, Zweite Vorsitzende, Komiteemitglied, Arrangeurin von Tischdekorationen für unzählige Benefizessen und künstlerische Darbietungen und Modenschauen, Begründerin, ja Erfinderin des regional berühmten No-BallBalls, der es den geneigten Spendern ermöglichte, ihre Schecks einzusenden und gemütlich daheimzubleiben), und der Elena McMahon in den beiden AP-Berichten.

Ich kam auf keine vernünftige Ausrede, die es mir erlaubt hätte, nicht an der sich anschließenden Studie über Krisenmanagement mitzuarbeiten, die von der Rand Corporation im Auftrag des Außenministeriums durchgeführt wurde, aber ich hielt mich bedeckt: Ich übernahm den Fachjargon solcher Studien. Ich sprach von »Konfliktlösungen«. Ich sprach von »Konfliktmanagement«. Und ich lieferte Fakten – sogar mehr Fakten, als man von mir erbeten hatte, aber Fakten, die im Detail so langatmig und in ihrer Bedeutung so fragwürdig waren, dass keiner der Rand-Analysten, die mit diesem Projekt befasst waren, auf den Gedanken kam, mir die eine Frage zu stellen, die ich nicht beantworten wollte.

(Continues…)


Excerpted from "Das Letzte, was er wollte"
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